DM Beitrag 01

„Die Ratten haben gesiegt" - Gedanken nach dem Bürgerentscheid ...

Knapp eine Woche ist nun vergangen. „Wir müssen anfangen, aufzuhören, und aufhören, immer wieder anzufangen.“ war mein Titelbild. Mehr wollte ich eigentlich nicht schreiben. Ich wollte zur Ruhe kommen. Die Stadt will zur Ruhe kommen. Dachte ich jedenfalls... Ein Sympathisant des abgewählten Bürgermeisters schrieb kurz nach dem Bürgerentscheid in einem Kommentar:

„Wollen wir doch mal ehrlich sein.
Wenn Ennullat geblieben wäre,
würden wir die anderen doch jetzt
hier zur Schnecke machen. Dafür ist
die Abwahlfraktion doch sehr zurückhaltend...“

Ich fand diese Rückmeldung gut und sehr reflektiert. Ich wähnte uns und die Stadt auf einem guten und besonnenen Weg in Richtung Neuanfang. Doch ich sollte mich irren.

Spätestens nach dem Wahlausschuss wurde klar: Das, was schlussendlich zum Bürgerentscheid selbst führte – das Brandmarken von Andersdenkenden und Nichtrespektieren demokratischer Mehrheitsentscheidungen - bei Nichtgefallen - wird von Seiten der überzeugten Ennullat-Unterstützer auch nach der Abwahl weiter Thema bleiben.

Die vielen ehrenamtlichen Wahlhelfer werden öffentlich auf der Sitzung des Wahlausschusses beschimpft und verunglimpft. Eine Wahlleiterin wird zunehmend öffentlich diffamiert.

Mehrheitsentscheidungen, die nicht gefallen, werden weiterhin nicht akzeptiert. Eine inhaltliche Debatte findet quasi nicht statt. Die dauerhaften persönlichen Attacken gehen weiter wie zuvor.

Der Frontmann des Ennullat Unterstützervereins FWKW beschrieb sein Demokratieverständnis noch am Tag des Entscheides auch medial klar und unmissverständlich:

„Ich erkenne das Ergebnis nicht an.“

Ich hatte gehofft, es sei eine im Affekt „raus gerutschte“ Äußerung. Doch auch hier lag ich komplett daneben. Kein Dementi. Er meint das wirklich so.

Von der AfD-Front lautet es zunächst:

„Wir werden in der Fraktion beraten,
wie wir mit dem Ergebnis umgehen.“

Eine nichtssagende Stellungnahme wie ich sie schon hundertfach an Wahlabenden gehört habe. Mir stellt sich die Frage, welche Beratung zum Umgang mit dem Ergebnis der wohl direktesten Form der Demokratie, einem Bürgerentscheid, nötig wäre, von denen, die selbst dauerhaft und lautstark die direkte Demokratie einfordern.

Die Beratung hatte dann ein ernüchterndes Ergebnis: Der AfD-Vertreter im sechsköpfigen Wahlausschuss lehnte das Ergebnis des Bürgerentscheides komplett ab. Die Freunde und Unterstützer von AfD und FWKW erscheinen farblich auf ihren Logos verschieden, jedoch im Geiste gleich. Demokratie wohl nur, wenn sie gefällt und nützt.

Eine junge Frau, ebenso Ennullat-Unterstützerin, verwendet gar den Begriff: „Treibjagdsieger“

zur Beschreibung des Ergebnisses des Bürgerentscheid. Von „erzwungenem“ Bürgerentscheid ist weiterhin die Rede. Ein für mich befremdliches Demokratieverständnis.

Wirklich auf den Punkt brachte es dann wohl der Social-Media-Frontmann der FWKW:

„Die Ratten haben gesiegt.“

Wer sind jetzt „die Ratten“, die mehr als 9400 Bürger, die für die Abwahl stimmten oder „nur“ 25 Stadtverordnete? Egal wie, es ist erschreckend.

Spätestens jetzt wird mir wieder klar: Ich kann mich immer wieder bemühen, anzufangen aufzuhören. Es wird uns nix nützen. Denn wer nicht genehme Mehrheitsentscheidungen per Reflex einfach nicht akzeptieren WILL, wird nie aufhören, immer wieder anzufangen, die Demokratie und unliebsame Menschen auf verschiedenste Art anzugreifen. Ernüchternde Aussichten.

Mir fällt dazu Goethes Zauberlehrling ein: Die Geister, die „ICH“ rief... die Geister sind jetzt da. Sie bleiben uns auch noch eine Weile erhalten -befürchte ich - auch weil das „ICH“, das sie gerufen hat, zwar nicht mehr im Rathaus weilt, uns aber ganz bestimmt erhalten bleibt. Er wird natürlich

„aus einer anderen Perspektive das Wirken
der Stadtverordneten und der Verwaltung
weiter verfolgen und bei Bedarf unterstützten“.

Dessen bin ich mir sicher, mittlerweile sehr sicher sogar. Man wird es, ähnlich der Situation im vergangenen Sommer (während der Zwangsbeurlaubung), „lesen“ können.

Ich las die Abschiedszeilen des EX Bürgermeisters Swen Ennullat auf seinem Facebook Profil sehr aufmerksam. Bis zum dritten Absatz findet sich ein Anflug von Selbstreflektion. Doch bereits mit dem vierten Absatz wurde es ernüchternd. Alles wie immer: Am „Mythos Ennullat“ wird weiter gebastelt. Das Opfer, der Held, der Don Quichotte, der heldenhaft gegen rote Windmühlen ankämpfte. Von Selbstkritik nicht eine einzige für mich wirklich glaubwürdige Spur. Stattdessen die üblichen haltlosen Vorwürfe, die übliche Projektion des eigenen Verhaltens: Die „Anderen“ sind schuld. Nicht fehlen durfte der gewohnt doppelzüngige Zynismus, natürlich unter Beifall, „Likes“ und netten Kommentaren der Befürworter. Ein heiles Bild wird gezeichnet, ein großes Blendwerk.

Etwas Weglassen ist in meinen Augen auch nichts anderes als die gewohnte Lüge. Von kritischen Kommentaren keine Spur. Wie auch? Alle Kritiker sind blockiert. Schicke, ausgesuchte Bilder schmücken die unglaublich einseitige Collage, den selbst kreierten Mythos Ennullat. Schaut man genauer hin, ist so gut wie NICHTS auf den Bildern wirklich „auf seinem Mist“ gewachsen, sondern fällt lediglich in seine Amtszeit.

Ein Bild enttäuschter und zorniger Eltern vor dem Rathaus, die mit ihrer über 3.200-Unterschriften-Petition schlichtweg „stehen gelassen“ wurden, der auf dem Bild vor dem Ministerium offen gelebte Pakt mit der AfD oder ein Foto, auf dem „Kapitän Swen“ das Dinter Hallen Schiff auf unrühmliche Art verlässt, wären sicher hinderlich für das verzerrt geschönte Selbstbild.

So scheint sich der Kreis zu schließen. Was mit einem „blendenden“ Flyer 2017 voller Lügen, Täuschungen und falscher Versprechen begann, nimmt seine Unterbrechung nun mit einem „blendenden“ Abgang, wieder voller Lügen, Täuschungen und verzerrter Realität, blendend dargestellt (für den unbeteiligten Betrachter). Und ja, ich halte dies nur für eine Unterbrechung. Ein Ende ist in meinen Augen ganz offensichtlich noch lange nicht in Sicht. Ob nun neben dem gekündigten Fachbereichsleiter Soziales (in 2014) auch noch der abgewählte Bürgermeister Rache nehmen muss, bleibt abzuwarten. Ich befürchte, es wird wohl weitergehen, dass sich genau derjenige als Heilsbringer oder Lösung genau der Probleme anbieten wird, die wir ohne ihn in dieser Form gar nicht hätten. Ich rechne fest damit. Eventuell diesmal etwas geschickter, vielleicht „über Bande“... Ego is a hell of a drug.

„Ich bin gespannt, welchen Bürgermeister
das "Bündnis" für uns ausgesucht hat.“

schreibt Ex-Bürgermeister Ennullat abschließend.

Nun gut. Vielleicht bin ich wohl doch nur so ein „Amateur-Politiker“, wie einer seiner glühenden Unterstützer mich einst nannte. Mein Demokratieverständnis sagt mir, dass kein Bündnis dieser Welt einen Bürgermeister für unsere Stadt „aussuchen“ kann. Denn die Bürger „verleihen“ ihm ihre Stimme - wohlgemerkt als Verwaltungschef, nicht als Chef der Bürgervertretung – der Stadtverordnetenversammlung. Aber warum schreibt ein „Verwaltungsprofi“ eigentlich solch einen Satz, der selbst gewählt wurde, und nicht von irgendwem „ausgesucht“?

Grundvoraussetzung, dass ein Neustart gelingen kann, wäre das Akzeptieren von demokratischen Mehrheitsentscheidungen. Die bereits jetzt vermeldete Zahl an Wahleinsprüchen lässt den gewünschten Neuanfang weit weg erscheinen.

Auch das MITeinander reden, statt ÜBEReinander zu schreiben, als wesentliches Grundfundament des konstruktiven Miteinanders scheint in weiter Ferne.

Wir müssten dringend anfangen aufzuhören. Aber wie soll das gehen, wenn die immer Gleichen nicht aufhören, immer wieder anzufangen?

So wird ditt nüscht mit dem Neuanfang.